Patentgeschützte Arzneimittel: Deutschland bleibt Hochpreisland

Berlin. Die Preise für patentgeschützte Arzneimittel liegen in Deutschland deutlich über dem europäischen Niveau. Das belegt eine neue Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und der Technischen Universität Berlin. Demnach sind die Herstellerabgabepreise in den Vergleichsländern durchschnittlich 16 bis 27 Prozent niedriger als in Deutschland, wobei die unterschiedliche Kaufkraft der Länder berücksichtigt wurde. Der europäische Preisvergleich wird jedoch dadurch erschwert, dass die pharmazeutischen Hersteller abweichende nationale Erstattungspreise nicht angeben müssen. „Um die Aussagekraft von europäischen Preisvergleichen künftig zu erhöhen, sollten in ganz Europa die tatsächlich gezahlten Herstellerpreise transparent gemacht werden“, so Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.

Für die Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und der Technischen Universität Berlin wurde zunächst ein Warenkorb mit den umsatzstärksten patentgeschützten Arzneimitteln in Deutschland gebildet. Danach wurden die entsprechenden Preise in Deutschland aus dem Februar 2015 mit denjenigen aus fünf anderen Ländern – Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Niederlande und Österreich – verglichen. Das Ergebnis: Unter Berücksichtigung der Wirtschaftskraft der Vergleichsländer zeigt sich, dass die nach dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) adjustierten Herstellerabgabepreise zwischen 16 Prozent (Großbritannien) und 27 Prozent (Dänemark) unterhalb der deutschen Preise liegen. Daraus ergibt sich für alle wirkstoffgleichen Präparate im betrachteten deutschen Markt eine mögliche Entlastung von 2,2 Milliarden Euro. „Gemessen am 9,6 Milliarden Euro starken jährlichen Herstellerumsatz für den untersuchten Warenkorb in Deutschland, entspricht dies einem Einsparpotenzial von 23 Prozent“, sagte Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.

Die in der Studie entwickelte Adjustierung nach dem BIP ermöglicht einen ausgewogenen Vergleich der vom Hersteller veröffentlichten Listenpreise in den verschiedenen Ländern. Zusammen umfassen diese fast die Hälfte aller EU-Einwohner. Dadurch können die unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten der Krankenversicherungssysteme in den Ländern, die zu einer unterschiedlichen Preissetzung durch die pharmazeutischen Hersteller führen können, berücksichtigt werden.

Gleichzeitig stellt die Studie aber auch die Intransparenz der verfügbaren Preisinformationen fest: Die gelisteten Arzneimittelpreise in den verschiedenen europäischen Ländern lassen größtenteils die gewährten Rabatte sowie die konkreten Erstattungsbedingungen außer Acht wie zum Beispiel Indikationseinschränkungen für den Einsatz patentgeschützter Arzneimittel. Aus Sicht der Autoren werde damit ein echter Arzneimittelpreisvergleich, der auf den faktischen Arzneimittelpreisen aufsetzt, behindert. Fairer Wettbewerb setze voraus, dass europaweit Markttransparenz über Produkte, deren Erstattungsbedingungen und die faktischen Preise geschaffen werde. „Der im Pharmadialog der Bundesregierung angedachte Verzicht einer öffentlichen Listung des Erstattungspreises würde hier einen deutlichen Rückschritt darstellen“, so Schröder.
  
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